Plüschmors, die plattdeutsche Hummel – echt jetzt?


Wie lautet das plattdeutsche Wort für die Hummel?

„Plüschmors“ ist ein Jux, der erst um 2010 aufgekommen ist. Das Plattdeutsche Wort für Hummel lautet Hummel. Das Wort Plüsch gibt es im Plattdeutschen gar nicht.

Plüschmors ist für die Hummel unangemessen

Im Internet fand ich diese Begründung:

Warum das Plüschmors heißt? Schön, dass ihr fragt! Mors ist Plattdeutsch für Hintern, Po. Und Plüsch ist, naja, irgendwie weich und fluffig eben. Und weil Hummeln nunmal weiche, fluffige Hintern haben,

Vergleichen wir dies einmal mit dem Bild einer Hummel (siehe oben). Man sieht, der Pelz geht über den ganzen Körper, nur der Kopf ist ausgenommen. Warum also nicht Plüschrüch (Rücken) Plüschbuuk (Bauch)? Der Plüschmors wird der Hummel gar nicht gerecht.

Wann ist das Wort Plüschmors aufgetaucht?

Auf trends.google.com dokumentiert Google, wie häufig ein Begriff gesucht wurde. Die Daten reichen zurück bis 2004. Mit dieser Suche sehen wir dass erst ab 2011 nach Plüschmors gesucht wurde, siehe Bild:

Aber wie kam es überhaupt dazu? Warum war der Plüschmors vorher unbekannt?

Plüschmors – die Geschichte eines Wortes

Eine Jury erklärte im Frühjahr 2009 das Wort Plüschmors zum plattdeutschen Wort des Jahres. (Artikel auf welt.de) Träger dieses Wettbewerbs war damals der Landesheimatverband Mecklenburg-Vorpommern.

Der Wettbewerb findet jährlich statt. Einige der jährlichen Aufrufe zur Teilnahme finden sich noch immer im Internet. Hier ist z.B. der von 2005;

“Gefragt ist dabei nicht nur das beliebteste „Wurt“, sondern auch ein Ausdruck, der die aktuelle Situation im Land trifft. Dabei kann es sich nach Angaben der Wettbewerbsveranstalter auch um eine Wortneuschöpfung handeln.”

Ach, sieh an: Wortneuschöpfungen waren zulässig. Das ist ja auch in Ordnung, wenn man für die Bankenkrise (“Bankenmalöör”) ein Wort braucht. Aber wieso für die Hummel?

Hier ist übrigens der Aufruf von 2009, der den Plüschmors prämierte. Es gab damals drei Kategorien: das schönste plattdeutsche Wort, der beste aktuelle plattdeutsche Ausdruck und die beste Redensart/das beste Sprichwort. An sich galt die Regel

“Dat Wurt oder de Utdruck möt all in Gebruk sien, nich blot bi de Insender. Wi kiken denn nah bi WossidloTeucherten, bi Hermann-Wintern un ok bi Brinckmannen. Un wenn’t all nich helpt, ok noch bi Reutern. “

Die Namen bezeichnen verschiedene plattdeutsche Wörterbücher aus dem Raum Mecklenburg-Vorpommern. Ausdrücklich ausgeschlossen waren also Wörter, die sich der Einsender nur ausgedacht hatte. Offenbar wurde das beim Plüschmors gar nicht geprüft. Wir holen das schnell nach:

Welche plattdeutschen Lexika kennen das Wort Plüschmors?

Ich habe die Sammlung meiner plattdeutschen Lexika durchsucht, um zu schauen, welche das Wort Plüschmors kennen. Gefunden habe ich kein einziges. Die Hummel hingegen gibt es, und zwar hier:

Schleswig-Holsteinisches Wörterbuch von Otto Mensing

Dieses Lexikon umfasst vier dicke Bände mit umfassenden Erklärungen zu jedem Eintrag. Unter dem Stichwort Hummel verweist Mensing auf diesen übertragenen Gebrauch:

“Häufig von fahrigen, liederlichen Mädchen: dat is’n wilden Hummel”

Von der Hummel abgeleitet ist auch das Adjektiv “hummelig” =>

“von Menschen, die sich geschäftig und ruhelos um eine Stelle herum bewegen, z.B. von kleinen Kindern beim Spiel”.

Außerdem gibt es das Verb “hummeln” mit der Bedeutung “wie eine Hummel herumtanzen”.

Das Wort Plüsch ist bei Mensing unbekannt, erst recht der Plüschmors.

Lindow/Harte: Dieses Lexikon kennt Hummel und Mossimm. („Moos-Biene“). Ein plattdeutsches Wort Plüsch ist nicht bekannt.

Hermann-Winter: Die Hummel ist aufgeführt. Ein plattdeutsches Wort Plüsch ist nicht bekannt.

Peter Neuber Die Hummel ist bekannt. Ein plattdeutsches Wort Plüsch jedoch nicht.

Das Wort Hummel ist im Plattdeutschen einheimisch. Das ist es seit langer Zeit. Und so kann man dieses Wort auch in verwandten Sprachen finden, nicht nur im Hochdeutschen.

Das Wort Hummel in verwandten Sprachen

Ein Blick auf die engsten Verwandten des Plattdeutschen zeigt, dass das Wort “Hummel” auch in den Nachbarsprachen verbreitet ist.

  • Niederländisch: hommel
  • Dänisch: humlebi (bi = Biene)
  • Schwedisch: humla
  • Englisch: bevor sich das Wort bumblebee durchsetzte, wurde humbul-be verwendet

Benannt ist die Hummel nach dem summenden Geräusch dieses Insekt (siehe englisch “to hum” = summen).

Die Mossimm

Es gibt übrigens noch ein weiteres, original plattdeutsches Wort für die Hummel. In Ostfriesland und drumherum sagt man auch Mossimm. Moss ist das Moos. Imm ist die Biene. Im Hochdeutschen gibt es die Mooshummel (Wikipedia). Diese zeichnet sich so aus:

Die Mooshummel ist Nestbauer und legt ihre Nester immer oberirdisch in Grasbüscheln oder unter Moos sowie in verlassenen Nestern auf Bäumen, in Nistkästen oder an Häusern an. Sie erreichen eine Populationsstärke von 50 bis 120 Tieren.

Plattdeutscher Sprachausbau, aber bitte richtig!

Das Problem bei Plüschmors ist grundsätzlicher Natur. Reinhard Golz hat es in seinem Buch “Plattdeutsch vom Klönen und Schnacken” treffend auf den Punkt gebracht. Im Kapitel “Ausbausprache Plattdeutsch” (Seite 14) schreibt er:

“Einem sachangemessenen Sprachausbau steht allerdings eine weit verbreitete Haltung entgegen, nach der plattdeutsche Wörter für neue Gegenstände oder Sachverhalte emotional aufgeladen und möglichst humortauglich zu sein haben. Die Sachlichkeit von Alltagsgegenständen wie dem Staubsauger oder dem Fernseher wird aufgehoben, wenn eine Benennung in Huulbessen, Kiekkassen oder gar Glötzmöhl erfolgt.”

Genau das ist bei dem Wort Plüschmors passiert. Das Wort ist auf niedlich und witzig getrimmt. Echtes Platt ist es nicht und sollte es auch nicht werden.

Oder Plattdeutsch als Pausenclown?

Wörter wie Plüschmoors, Snutenpulli (Coronamaske), der Isenbahnpolopundaldreiher (Schrankenwärter) oder der Ackerschnacker (Handy) machen die Sprache kaputt. Sie machen aus Platt einen ständigen Witz. Als Pausenclown ist das unterhaltsam. Als Alltagssprache ist das ungeeignet.

Kein anderer Dialekt und keine andere Regionalsprachen in Deutschland macht dieses Spiel mit. Nur beim Platt gibt es die Tendenz, die Sprache primär witzig zu finden. Es ist die Frucht davon, dass Plattdeutsch jahrzehntelang auf die Nische der Döntjes und Bauernschwänke beschränkt war.

Es wird daher Zeit, dass Platt aus dieser Ecke wieder herauskommt und eine gelebte Alltagssprache wird, die Alltägliches angemessen ausdrücken kann.

Halten wir deshalb fest: die Hummel heißt auf Platt Hummel. Oder Mossimm.

Mehr plattdeutsche Begriffe für Tiere findest du hier.

PS: Das Foto von der Hummel habe ich bei uns im Garten gemacht.

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