Hochdeutsch hat eine verbindliche Rechtschreibung. Sie wurde vor einigen Jahren geändert, vielleicht nicht zum Besseren. Aber es gibt sie. Und niemand würde sie grundsätzlich in Frage stellen.
Wenn man aber über eine plattdeutsche Rechtschreibung diskutiert, dann wird oft behauptet, man bräuchte so etwas nicht und es sei auch schlichtweg unmöglich.
Warum also braucht Plattdeutsch eine Rechtschreibung?
Eine Rechtschreibung hat viele Vorteile:
Rechtschreibung hilft dem Leser
Ein Text liest sich leichter, wenn ein Wort immer auf dieselbe Art geschrieben wird. Gerade für Anfänger, die sich mit dem Plattdeutschen unsicher sind, ist das wichtig. Plattdeutsch soll kein Rätselraten sein, bei dem man Wörter erst dann erkennt, wenn man sie sich mehrmals laut vorgelesen hat.
Rechtschreibung ermöglicht Lexika
Der Wortschatz des Plattdeutschen ist größer als man gemeinhin ahnt. Vielen Anfängern sind aber nur die Wörter bekannt, die dem Hochdeutschen gleich oder zumindest sehr ähnlich sind. Wer im Plattdeutschen vorankommen will, braucht daher die Möglichkeit, unbekannte Wörter nachschlagen zu können. Aber was nützt ein Lexikon, wenn es die Wörter ganz anders schreibt, als man es vermutet, und man erst lange suchen muss?
Rechtschreibung hilft beim Schreiben
Der weit verbreitete Rat „schreib wie du sprichst“ hilft dem Lernenden nicht weiter. Gerade Anfänger sind sich oft unsicher. Gibt es diese Form tatsächlich oder ist das gerade ein selbstgemachter Import aus dem Hochdeutschen? Da hilft es, schnell mal prüfen zu können, ob auch andere Schreiber diese Form kennen. Als ich vor gut 10 Jahren angefangen habe, Plattdeutsch zu schreiben, habe ich am Anfang jedes Wort nachgeschlagen.
Rechtschreibung ermöglicht die automatische Prüfung
Moderne Programme zur Textverarbeitung bieten eine automatische Rechtschreibprüfung, auf Hochdeutsch. Und viele Nutzer haben sie eingeschaltet. Auch für Plattdeutsch es gut, so etwas zu haben. Aber auch das geht nur mit einer vereinbarten Rechtschreibung.
Plattdeutsche Rechtschreibung gibt es schon
Zum Glück braucht man das Rad nicht neu zu erfinden. Es gibt eine Reihe von Vorschlägen zur plattdeutschen Rechtschreibung, aber nur einer hat sich hinreichend durchgesetzt. Das ist die Rechtschreibung nach Sass. Sie wurde von dem Sprachwissenschaftler Johannes Sass (1889-1971) entwickelt und wird jetzt von der Fehrs-Gilde betreut, einem Verein zur Förderung der niederdeutschen Sprache.
Viele plattdeutsche Autoren richten sich nach diesen Schreibregeln. Auch die plattdeutsche Wikipedia nds.wikipedia.org ist danach verfasst.
Dieser Artikel ist der erste einer Serie über die plattdeutsche Rechtschreibung. Die folgenden Artikel werden die einzelnen Regeln erklären und aufzeigen, warum sie sinnvoll sind. Eine Übersicht über diese Reihe findet sich hier.
Wikipedia op Platt
Die Wikipedia ist ein ungewöhnliches Projekt. Tausende von Autoren haben es gemeinsam geschafft, eine umfangreiche Enzyklopädie zu schreiben, die noch dazu frei im Internet zugänglich ist. Obendrein ist sie mehrsprachig. Am größten sind die englische und die hochdeutsche Wikipedia.
Aber auch für kleinere Sprachen ist dies eine große Chance. Oft ist die Wikipedia die erste Enzyklopädie, die in so einer Sprache überhaupt erstellt wird. Auch beim Plattdeutschen sind mir keine anderen Enzyklopädien bekannt.
Die plattdeutsche Wikipedia hat mittlerweile (Juni 2014) den 21000. Artikel überschritten und sie wächst langsam, aber stetig. Mittlerweile ist sie die umfangreichste plattdeutsche Website überhaupt.
Besonders wichtig an diesem Projekt finde ich, dass hier plattdeutsche Artikel über moderne Themen geschrieben werden, z.B. aus der Informatik, der Mathematik, der Astronomie. Das ist nicht immer einfach. Die plattdeutsche Sprache ist lange Zeit vernachlässigt worden. Bei vielen Themen fehlen Wörter. Nach vielen Wörtern haben wir lange gesucht. Manche müssen erst noch erfunden werden. Dieser Sprachausbau ist dringend nötig. Was soll denn aus dem Plattdeutschen werden, wenn wir für den Computer oder für den Glühwendel keine Wörter mehr finden?
Mein Traum ist, dass plattdeutsch eines Tages noch einmal Schulsprache an einem zweisprachigen Gymnasium wird (Hochdeutsch und Plattdeutsch), in dem ein Teil der Fächer auf Platt unterrichtet wird, darunter gerne auch Mathematik, Biologie, Chemie oder Physik. Ich denke, wir sind mit der plattdeutschen Wikipedia auf einem guten Weg, diesem Ziel näher zu kommen.
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